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Diplom Kleider für Kinder 1994

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Diplomkollektion Kinderkleider 1994

Aus einer anderen Kultur scheinen diese sechs Kinder auf den Laufsteg der Burg Giebichenstein, der Hochschule für Kunst und Design in Halle, geweht worden zu sein. Sie schreiten langsam, ja fast andächtig zu leiser zarter Musik, die an Glockenspiel erinnert. Gehüllt sind die in mehrere Lagen Stoff, matt und glänzend, Baumwolle, Seide und Chiffon. Kopfbedeckungen und Fußbekleidung sind aus Bast. Die Farben und Oberflächen wirken durchscheindend und gedämpft, wie mit einer Patina überzogen. Die Köpfe der Kinder sind anfangs bedeckt und verhüllt. Während die Kinder in bewundernswerter Gelassenheit mehrere Runden über den Laufsteg drehen und dabei Lage um Lage Kleidung ablegen, um jedes Teil der Prüfungskommission vorzuführen, entsteht im Raum ein Bild von Zerbrechlichkeit, Ruhe, Vertrauen und Echtheit.

Nicht bunt und schrill, nicht laut und sportlich, wie die Modewelt uns die zeitgemäßen Kinder gern zeigt.

Auch nicht in kleinen Anzügen und Cocktail-Kleidern. "Kinder, die zu Ihnen passen", diesen Werbeslogan las ich 1994 in einer Modefachzeitschrift. Er benutzt Kinder als Ausdruck der Wertvorstellungen ihrer Eltern. In einer Zeit, in der es Markenturnschuhe für Krabbelkinder und Parfum für Babies ("Babies erster Kuschelduft") gibt, wollte ich ein anderes, eigenes Bild von Kindern entwickeln, mein eigenes Kontrastprogramm.

Das Bild, das die langsam schreitenden Kinder auf dem Laufsteg entstehen lassen, zeigt uns: Kinder brauchen Zeit, um Kind sein zu dürfen. Kinder brauchen Schutz. Kinder haben ihre eigene Unmittelbarheit, Tiefe, Echtheit und Weisheit, wenn wir sie nicht verbiegen.

Die Freiheit, mir mein Diplomthema selbst aufstellen zu dürfen, hat es möglich gemacht. Eine Kollektion ist entstanden, die sich nicht am Markt und aktuellen Trends orientiert. Ein philosophisches, menschliches Bild findet seinen Ausdruck in Mode, das Erwachsene zum Nachdenken und Weiterdenken über Kindheit anregen kann.

"Kleider für Kinder als zeitgemäßer und kritischer Ausdruck heutigen Menschseins und Vision zukünftiger Wertvorstellungen" - das hatte ich mir als Thema selbst gestellt. "Was wir an unsere Kinder heute nicht weitergeben, werden sie morgen vielleicht schon gar nicht mehr vermissen" - das war meine Motivation dafür. Für die Kollektion "Kleider für Kinder" habe ich 1994 das Diplom in Modedesign (Prädikat "Sehr gut") erhalten.

Die Fotos für die Diplompräsentation habe ich selbst gemacht, mit einer analogen Spiegelreflexkamera aus DDR-Zeiten, einer Praktika. Ich habe mit Verfremdungstechniken (Linsen) experimentiert, die teilweise Unschärfe oder Verläufe ins Bild bringen. So gelang es mir, im Foto meine Aussage zu verdichten. Diesen Prozess wollte ich nicht in fremde Hände geben. Es war eine intensive Auseinandersetzung mit den damaligen fotografischen Möglichkeiten.