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Wie ich schwimmen lernte (24.02.2016)

Im flachen Wasser paddeln - dabei fühlte ich mich sicher... Im flachen Wasser paddeln - dabei fühlte ich mich sicher... | Foto: Walter Schenke

Wer mich kennt, weiss, dass es mir das Allerliebste ist, stundenlang kilometerweise allein über Seen zu schwimmen. Aber was ihr nicht wißt, ist, wie schwer es mir gefallen ist, das Schwimmen zu lernen!

In der DDR zu meiner Kindheit gab es zwar noch nicht das Schwimmen als Schulsport, aber trotzdem so nützliche Sachen wie Schwimmlager. Das war ein mehrtägiger Schwimmkurs im heimischen Freibad. Warum man den Schwimmkurs „Lager“ nannte, kann ich nicht sagen, vielleicht weil man danach auf der Wiese lagern und sich ausruhen konnte? Schwimmen und Lagern?

Allerdings tat ich beides nicht. Weder schwamm ich, noch lagerte ich entspannt auf der Wiese. Ich stand vor Angst stocksteif am Beckenrand und lernte, statt zu schwimmen, nur eins: dass der Geruch von Chlorwasser bei mir Angst und Panik hervorrief, selbst dann schon, wenn ich ihn bereits hunderte Meter vorm Schwimmbad witterte. Und das jeden Tag mehr.

Ich ging nicht allein in das Lager, sondern zusammen mit meiner Schwester. Bei ihr war das anders. Während ich im Wasser vor Angst zu einem steifen Brett erstarrte und zu keinerlei Bewegung fähig war, paddelte sie am ersten Tag schon fröhlich wie ein kleiner Hund im tiefen Becken herum, so dass der Bademeister die Leine um ihren Bauch bereits locker lassen konnte. Zu meiner Panik gestellte sich nun noch Wut und gelber Neid. „Ist je kein Wunder, Fett schwimmt von allein oben“ grummelte ich grimmig-gemein in mich hinein.

Der Bademeister ließ nicht locker. Er hatte eine glänzende Idee und band mich unten am Sprungbrett fest. „Irgendwann wird sie schon loslassen und sehen, dass das Wasser sie trägt“, dachte er wohl. Doch er hatte sich getäuscht. Ich hing eine Stunde unter dem Sprungbrett, klammerte mich am Brett fest, das genauso stocksteif wie mein Körper war, und schrie wie am Spieß so Sachen wir „Hilfe! Holt mich hier raus!“. Zu allem Überfluß scharten sich Klassenkameraden um das Becken, zeigten mit dem Finger auf mich und amüsierten sich.

Dem Bademeister blieb nichts anderes übrig, als mich loszubinden – ich verließ das Becken trocken und auf dem Landweg. Körperlich und psychisch entkräftet lagerte ich mich nun endlich ins Gras. So erfüllte ich nun wenigstens den einen Teil des Zwecks von einem Schwimmlager, das Lagern.

Während meine Schwester stolz mit der ersten Stufe (so nannte man damals das „Seepferdchen“) das Schwimmlager verließ, verließ ich es unverrichteter Dinge.

Meine Mutter gab nicht auf. Sie meldete mich zu einem zweiten Schwimmlager an. Diesmal mußte ich allein gehen. Und diesmal wechselte sie die Taktik. Sie sagte nicht: „Du musst schwimmen lernen, denn wer nicht schwimmen kann, ertrinkt!“, sondern stellte ein Gartenfest in Aussicht, wenn ich das Schwimmen erlernt haben würde. So kam nun erstmalig ein positiver Aspekt in die Sache.

Ich machte mir einen Plan und analysierte mit kühlem Kopf, was mir Angst machte. Es war nicht die Angst vor dem Schwimmen an sich, sondern die Angst vor den für die Schwimmstufe erforderlichen HUNDERT Metern! HUNDERT Meter OHNE anzuhalten zu schwimmen! Der reinste Marathon, völlig menschenunmöglich!

Nun wechselte auch ich die Taktik. Hundert Meter am Stück, die lange Bahn, gingen also nicht. Aber was ist mit 2 x 50 Metern? Das müßte doch zu machen sein! Auch wenn man, statt einmal längs am Beckenrand entlang zu schwimmen, zweimal quer durch das tiefe Becken schwimmen musste!

Endlich hatte auch ich eine Vorstellung davon, wie ich es schaffen würde. Ich machte diese Vorstellung zu meinem Ding und sah mich jede Nacht im Traum die 2 x 50 Meter schwimmen. Ganz im Sinne von Walt Disney, der gesagt hat: „Wenn du es träumen kannst, kannst du es auch tun.“ Und so gelang es am Tage der Prüfung ganz ohne Schwierigkeiten! Zur Freude aller verließ ich stolz das zweite Schwimmlager mit der ersten Stufe. Und das Gartenfest konnte beginnen...


Christiane Schenke 2021

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