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Blog 'Erinnerungen'

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Ich öffne eine Zeitkonserve... (12.01.2016)

Alte Tür - was mag dahinter sein? Alte Tür - was mag dahinter sein? | LG Photography fotolia.de

Manchmal betritt man Räume, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Da leben Menschen noch in einem komplett intakten Interieur einer vergangenen Zeit. Das ist mir zum Beispiel in meiner Zeit in der Hauskrankenpflege so ergangen, denn da war ich in vielen Wohnungen alter Menschen. Dort sind nicht nur persönliche Geschichten konserviert, sondern Zeitgeist.

Die Wohnungen, die ich meine, gehörten Intellektuellen, die nun alt und pflegebedürftig waren.

Staunend sog ich die Atmosphäre auf. Ich sah keine Einzelheiten, mir ging es nicht um den Stil der alten Möbel, nicht darum, festzustellen, dass dieses 50er/60erJahre-Mobiliar nun schon wieder stylisch sein könnte. Es ergriff mich auch keine Rührung oder Mitleid, dass hier Menschen „nicht auf dem neuesten Stand“ waren, weil sie in einem so unmodern gewordenen Umfeld lebten. Nein, hier stellte ich plötzlich fest, dass wir in unserer modernen Zeit doch einiges verloren hatten, was hier konserviert war. Stimmt, da war doch noch was… Bin ich in meiner Kindheit nicht öfter Menschen begegnet, die etwas Ähnliches ausgestrahlt haben?

Ich nahm mir einen Moment Zeit, dem nachzuspüren, woran dieses Interieur mich erinnert. Was war das? Langsam kam die Erinnerung hoch …
... an Werte wie Gediegenheit, Langlebigkeit, Feinsinnigkeit, Kultur- und Geistreichtum.

Eine Gediegenheit, aber auf vernünftige Art; wertig, aber zugleich auch bescheiden.

Etwas Bauhausartiges, Zeitloses.

Auch etwas Bügerliches, ohne spießig zu sein.

Das strahlen diese Wohnungen aus, erzählen sie über den Geist ihrer Bewohner. Sie erinnern mich an diese feinsinnige, leise, kultivierte Art, wie Loriot sie hatte.

Niveauvoller und zugleich selbstverständlicher als heute, aber viel leiser.

Diese Geisteshaltung fasziniert mich, wenn sie mir heute noch ab und zu irgendwo entgegenstrahlt.

Und plötzlich merke ich mit Ehrfurcht, Bedauern und Wehmut:

Das, was da war, das war gut.


Christiane Schenke 2021

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