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Von Zuckerstangen, Stundenlutschern und klebrigem Sprühregen: Meine süßen DDR-Erinnerungen... (24.01.2016)

DDR-Lutscher DDR-Lutscher | © © utemov fotolia.de (bearbeitet von Christiane)

Als Kinder hatten wir selten Süßigkeiten. Umso größer war die Freude, wenn es mal welche gab. Das ist wohl der Grund, warum ich mich noch so detailliert an sie erinnern kann.

Die DDR-Lutscher aus der sozialistischen Konsumgüterproduktion (Abteilung: Waren des täglichen Bedarfs = WTB) waren lang, platt und oben leicht spitz zulaufend, von gelber Farbe, mit rauher Oberfläche und Zitronengeschmack. 

Wenn man lange lutschte, veränderte sich nicht nur der Lutscher, sondern auch der Gaumen. Der Gaumen wurde wund und fühlte sich an, als hinge er in Fetzen. Der Lutscher wurde oben so spitz und scharf wie ein Stilett. Nicht auszumalen, wenn man mit einem solchen Stilett im Mund geschubst worden wäre... Trotzdem brachte man zum Geburtstag für alle Lutscher mit in die Schule.

Es gab auch besonders große Lutscher, die sogenannten Stundenlutscher. Dieses Wort ist heute ausgestorben. Der Name war aber nur ein Bluff (wie so manches in der DDR), denn die durchschnittliche Lutschdauer betrug unter einer Stunde.

Am Lustigten waren die Lutscher mit einer eingearbeiteten Pfeife. Sie waren aus einer hellbraunen Zuckermasse, angeblich Kakaogeschmack, schmeckten sie aber nur undefinierbar süß. Auch vom Design her waren sie eine totale Fehlkonstruktion. Wenn das lutschende Kind kräftig in die Öffnung pfiff, gab die Pfeife ein gurgelndes Geräusch von sich. Das war für die Umstehenden das Signal, sich in Deckung zu bringen. Mit einem heiseren Fauchen schoß aus der Pfeife ein klebriger Sprühregen in die Umgebung – eine ziemlich eklige Sache.

Die begehrtesten Lutscher waren die „Polenlutscher“ - rund und bunt mit transparentem Bildmotiv. Die gab es aber nur im sozialistischen Bruderland zu kaufen. Je länger man lutschte, desto besser konnte man durch das transparente Motiv hindurchgucken.

Es gab Gummibärchen, die 10 Zentimeter lang waren und denen man genüßlich einzelne Körperteile abbeißen konnte. Man konnte sie lang und länger ziehen und dabei beobachten, wie das Material immer spröder und spröder wurde, bis man endlich die Sollbruchstelle gefunden hatte, an der der langgezerrte Bärchenkorpus endlich durchriß. Faszinierend!

Auch die Stangenware ließ fast keine Wünsche offen. Es gab nicht nur Salz-, sondern auch Zuckerstangen (5 Pfennig) und ganz leckere, sehr harte und süße Lakritzstangen. Letzteres ist die einzige DDR-Süßigkeit, deren Aussterben ich bedaure. Obwohl es heute Lakritzstangen in Hülle und Fülle gibt, ist mir die Konsistenz und der Geschmack so nicht wieder begegnet.

Achtung, Maulsperre! Es gab losen Kaugummi einzeln zu kaufen, im Format von Brühwürfeln, der so hart war, dass er bei wiederholter Anwendung Kiefersperre hervorrief. Und zur wiederholten Anwendung war man gezwungen, da er nach dem ersten Draufbeißen schon seinen ganzen Geschmack verloren hatte. Es war, als würde man auf einem widerspenstigen Stück Plaste und Elaste aus Schkopau herumkauen.

Meine Lieblingssüßigkeit
...war ein rosa-weißes Pfefferminzfondant. Das gönnte ich mir jede Woche, nachdem ich in Merseburg den gefürchteten Flötenunterricht absolviert hatte. Gefürchtet deshalb, weil ich nie geübt hatte und ihn deshalb regelmäßig mit einem mulmigen Gefühl antrat. Für meine Lehrerin war das Ganze gewiß ebenso unerquicklich. Von der Mark für das Fahrgeld blieben 30 Pfennige übrig. Die reichten genau für den rosa-weißen süß-scharfen Flöz, den ich mir dann auf der Straßenbahnfahrt als Lohn für die überstandenen Strapazen genüßlich einverleibte. Und mir dabei vornahm, nächste Woche bestimmt Flöte zu üben.

Der süße Kasten
Im Zimmer meines Vaters stand am Boden "der süße Kasten". Er barg die begehrten West-Süßigkeiten, die gelegentlich in Paketen ankamen und die vom Familienoberhaupt unter Verschluß gehalten wurden. Ab und zu machte es unter uns vier Geschwistern die Runde: "Vati gibt einen aus!". Aufgeregt und erwartungsvoll versammelten wir uns. Ein Kind bekam die Erlaubnis, an den süßen Kasten zu gehen und eine Tafel Schokolade auszusuchen. Die teilten wir durch 6, jeder bekam einen Riegel. Die Gefahr, zu viel Süßes zu essen, bestand in unserer Kindheit nicht.


Christiane Schenke 2021

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